Abmahnvereine mahnen weiter ab – Nahrungsergänzungsmittel mit Echinacea und Holunderblüten

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(08.02.2012, Pharma-Zeitung.de) Die branchenbekannten Abmahnvereine schießen sich immer mehr auf den Markt der Nahrungsergänzungsmittel und bilanzierten Diäten ein. In diesem Fall wurde ein Hersteller eines Nahrungsergänzungsmittels mit Extrakten aus Echinacea und Holunderblüten abgemahnt.

Beworben wurde das Produkt unter anderem mit der Aussage:
"Die X enthalten eine Fülle sorgfältig ausgesuchter Natursubstanzen wie beispielsweise Echinacea und Holunderblüten, die dafür bekannt sind, die natürlichen Abwehrkräfte unterstützen zu können."
Der Abmahnverein berief sich auf die Interessen seiner eigenen Mitglieder, wohlgemerkt selbst Nahrungsergänzungsmittelhersteller und Pharmafirmen, und mahnte die Aussage wegen Verstoßes gegen § 11 LFGB und die Verordnung 1924/2006 (Health Claims Verordnung, HCVO) ab. Die Sache musste nun durch das OLG Hamm letztinstanzlich entschieden werden. Wie häufig in diesen Fällen, gab das Gericht dem Abmahnverein Recht.
Nach Auffassung der Richter ist die Aussage, dass Echinacea und Holunderblüten dem Produkt die Eigenschaft verleihen, für eine maßgebliche Unterstützung der natürlichen Abwehrkräfte zu sorgen, weder wissenschaftlich hinreichend gesichert im Sinne des LFGB noch gar allgemein wissenschaftlich anerkannt im Sinne der HCVO. Dabei könne dahin gestellt bleiben, ob es in beidem Sinne ausreichen würde, wenn sich die wissenschaftliche Absicherung aus einer einzelnen Arbeit ergeben würde, die auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht. Schon das Vorliegen einer Studie als ein hinreichend sicherer Nachweis, dass die beiden genannten Substanzen die beworbene physiologische Wirkung haben, sei nicht dargelegt. Auch eine in englischer Sprache vorgelegte Zusammenfassung einer Meta-Analyse lasse als sog. Abstract nicht erkennen, ob die Analyse auf überzeugenden Methoden beruhe. Die Analyse der Studien sei weder in englischer Sprache vollständig vorgelegt worden noch in deutscher Übersetzung. Das sei aber erforderlich gewesen, um die Eignung der Studie einschätzen zu können. Es sei noch nicht einmal die verabreichte Tagesdosis von Echinacea und die Form des Auszugs erkennbar. Die allgemein bekannte und im Volksglauben verankerte Meinung, Echinacea und Holunder könnten jeweils für sich das Immunsystem unterstützen, reiche als wissenschaftlicher Nachweis nicht aus. Bei den denkbaren Wirkungen von Holunder gehe es nach den vorgelegten Informationen zudem vor allem um die Holunderbeeren und die Blätter des schwarzen Holunderstrauches; Holunderblüten wird danach nur eine schweißtreibende Wirkung zugeschrieben.
Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 lit. b) HCVO müsse es vor allem auch so sein, dass die beworbene Substanz im Produkt in einer Menge vorhanden ist, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen geeignet ist, die beworbene physiologische Wirkung zu erzielen. Insofern nütze es dem Unternehmen auch nichts, dass Frischpresspflanzensaft aus Echinacea in Dosen ab 100 mg als Arzneimittel zur Steigerung der körpereigenen Abwehrkräfte durch Stimulierung des Immunsystems eingesetzt werde.
Der Nachweis der beworbenen Wirkung, der zur Zeit der Werbung vorliegen muss, kann nach Meinung der Richter auch nicht erst durch ein noch einzuholendes Gutachten erbracht werden, jedenfalls wenn bislang noch keine Studie mit einer geeigneten Aussage zu der Wirkweise in einer solchen Dosis vorliege. Der Werbende könne sich insoweit nur auf im Zeitpunkt der Werbung bereits vorliegende Erkenntnisse stützen, nicht auf erst zu erwartende Erkenntnisse durch eine Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen. Eine Wirksamkeit könne somit insbesondere nicht auf "gut Glück" behauptet werden.
Abschließend weisen die Richter darauf hin, dass das nach der HCVO noch nicht abgeschlossene Anmeldeverfahren von gesundheitsbezogenen Aussagen einer eigenen Entscheidung des Gerichts und einem Verbot der hier vorliegenden nicht wissenschaftlich gesicherten gesundheitsbezogenen Werbung nicht entgegen stehe. Auch angemeldete Claims dürften vor einer Entscheidung der EU-Kommission nach Art. 28 Abs. 5 HCVO verwendet werden, wenn die Wirkaussagen die Voraussetzungen des Art. 5 HCVO erfüllen. Gerade die dort verlangte allgemeine wissenschaftliche Absicherung sei auch im Zulassungsverfahren nachzuweisen, wie sich aus Art. 15 der HCVO mit der dazu erlassenen VO Nr. 353/2008 ergebe. Dem Unternehmen werde wie den anderen Unternehmen mit dem wissenschaftlichen Nachweis nichts abverlangt, was nicht bei einer Zulassung ohnehin geprüft werde. Eine Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen durch die fehlende Entscheidung durch die Kommission vermag das Gericht deshalb nicht zu erkennen.
Im Ergebnis ist die Entscheidung vertretbar. Die Gerichte wenden die strengen gesetzlichen Vorgaben für gesundheitsbezogene Werbung konsequent an und das wissen die Abmahnvereine. Ob diese allerdings überhaupt befugt sind, solche Abmahnungen auszusprechen, wenn ihre eigenen Mitglieder die strengen Vorgaben selbst nicht einhalten, ist allerdings eher fraglich. Demnächst werden zu dieser sehr wichtigen Frage einige richtungsweisende Entscheidungen ergehen. Bis dahin sollten sich die Unternehmen mit kreativen Ausweichstrategien wappnen. Ohne genaue Kenntnis der Rechtslage und solcher Gerichtsentscheidungen dürfte das allerdings kaum möglich sein.

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