Brexit und die Pharmaindustrie: Auf das Schlimmste vorbereitet?

Parastoo Karoon, PhD, Principal Consultant, PAREXEL Consulting, und Tony Street, Senior Director, Clinical Trial Supplies & Logistics, PAREXEL, kommentieren die Auswirkungen des EU-Austritts auf die Pharmaindustrie

(20.09.2018, Pharma-Zeitung.de) Branchenexperten sind besorgt um die Auswirkungen des EU-Austritts von Großbritannien auf die Pharmaindustrie und die künftige Versorgung mit Medikamenten in beiden Märkten. Lieferschwierigkeiten, strengere Zollvorschriften und -kontrollen werden die komplexe Arzneimittellieferkette zweifelsohne durcheinanderbringen. Darüber hinaus gibt es auch Bedenken hinsichtlich des Risikos für die Zulassung von Arzneimitteln und neuen innovativen Medikamenten in Europa. Die Branche muss sich auf die Auswirkungen eines „No Deal Brexit“ vorbereiten, wenn die Verhandlungen auf Regierungsebene nicht zu einer Einigung führen und wenn somit die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien ab dem offiziellen Austrittsdatum am 29. März 2019 wieder den Drittland-Regeln der Welthandelsorganisation unterliegen.

Parastoo Karoon, PhD, Principal Consultant, PAREXEL Consulting, und Tony Street, Senior Director, Clinical Trial Supplies & Logistics, PAREXEL, erläutern die Herausforderungen, vor denen die Pharmabranche infolge des EU-Austritts von Großbritannien steht:

Vorbereitung ist alles
Der Brexit stellt die Pharmaindustrie vor vielfältige Herausforderungen. Das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sowie die Richtlinien, die die künftigen Regulierungsbeziehungen zwischen den beiden Regionen bestimmen, werden im Herbst bekannt sein. Hinsichtlich des naherückenden Termins – März 2019 – sollte die pharmazeutische Industrie den Worst Case, einen „No Deal“ oder einen „Harten Brexit“, planen und sich darauf vorbereiten, um den Erhalt der Lieferkette von zugelassenen, aber auch von Arzneimitteln in der klinischen Prüfung zu sichern.

Der Pharmasektor zählt zu den am strengsten regulierten Branchen. Die britischen und europäischen Arzneimittelregulierungen sind seit Jahrzehnten miteinander verflochten, weshalb der Brexit die Pharmaindustrie wie keine andere Branche beeinflussen wird. Zahlreiche Bereiche und Vorgaben, wie z.B. der freie Warenverkehr aus dem Vereinigten Königreich nach Europa und umgekehrt, sind eng miteinander verzahnt. Dies zieht regulatorische Änderungen des EU-Arzneimittelzulassungsinhabers und auch des EU-Sponsors bzw. dessen EU-Vertreters von klinischen Prüfungen mit Sitz im Vereinigten Königreich nach sich. Bei klinischen Prüfungen sind nicht nur die Lieferwege der beteiligten Prüfpräparate, sondern auch die anderer Prüfmaterialien wie z.B. Laborproben zu berücksichtigen. Diese Änderungen erfordern die Genehmigung durch die zuständigen Arzneimittelbehörden unter Einhaltung entsprechender Fristen.

Während große Pharmaunternehmen bereits ihre Brexit Task Force gegründet haben und Pläne haben, sieht dies bei mittleren und kleinen Unternehmen anders aus: Einer aktuellen Untersuchung der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zufolge, ergreifen die Zulassungsinhaber von zentral zugelassenen Arzneimitteln bereits Maßnahmen, um die notwendigen Änderungen ihrer Zulassungsbescheide vorzunehmen. Die EMA-Studie hat aber auch gezeigt, dass 88 zugelassene Arzneimittel von einem potentiellen Lieferengpass bedroht sind. Ein weiteres Problem: Viele Zulassungsinhaber mit Sitz ausschließlich im Vereinigten Königreich haben nicht vor, Standorte außerhalb zu errichten, dasselbe gilt für die amtlichen Arzneimitteluntersuchungsstellen. Diese EU- Zulassungen würden schlimmstenfalls erlöschen oder müssen auf ein anderes Pharmaunternehmen mit Sitz in der EU übertragen werden.

Zudem bedürfen eine Vielzahl an Fragen bezüglich der Lieferkette für kommerzielle und klinische Studien sowie zu GMP-Inspektionen, Produktfreigaben und Qualitätskontrollen weiterer Klärungen.

Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette
Monatlich exportiert das Vereinigte Königreich 45 Millionen Arzneimittelpackungen in die EU und importiert 37 Millionen. Der Brexit hat Auswirkungen auf die komplette Kette von der Forschung über die Zulassung bis zum Vertrieb der Arzneimittel.

Kompliziert wird es bei dem Thema „Qualified Person“ (QP) bzw. „Sachkundige Personen“. So gibt es beispielsweise die spezielle Anforderung, dass alle pharmazeutischen Produkte, die für den Vertrieb auf dem EU-Markt bestimmt sind, von einer QP freigegeben werden müssen. Diese Person muss in der EU verortet sein und eine Lizenz haben, die auf eine in der EU ansässigen Einrichtung ausgestellt ist. Derzeit werden rund 70 Prozent aller in klinischen Studien verwendeten Prüfpräparate aus dem Vereinigten Königreich von QPs freigegeben.

Die britische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) teilte kürzlich mit, dass das Vereinigte Königreich im Falle eines „No Deal“ Brexits Chargenprüfungen akzeptieren wird, die in EU- oder EWR-Ländern sowie in Ländern, die ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung mit der EU haben (z.B. Japan), durchgeführt werden. Trotz dieser Entscheidung müssen Pharma- und Biotechnologieunternehmen eine alternative Möglichkeit der Chargenprüfung und -freigabe in den EU- und EWR-Ländern finden, um die bestehenden Anforderungen weiterhin zu erfüllen.

Obwohl noch Unsicherheit herrscht, wie es nach dem Brexit weitergeht, wissen wir genug, um potenzielle Risiken für die Lieferkette abschätzen und Maßnahmen ergreifen zu können, um diese zu minimieren. Unser Rat ist, nicht zu warten, denn der Countdown läuft und die Risiken werden durch die vielen QPs, die sich derzeit noch in Einrichtungen in Großbritannien befinden, verstärkt, was zu einem Wettbewerb um diese knappen Ressourcen führen könnte.

Die meisten Unternehmen haben zwar bereits einen Brexit-Plan und einige Vorbereitungen für die Folgen des EU-Austritts Großbritanniens getroffen. Es ist allerdings unerlässlich, die weiteren Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Brexit zu verfolgen, um die bereits gemachten Brexit-Pläne adäquat anzupassen, um Business Continuity und den Erhalt der Lieferkette zu sichern.


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