Der Einfluss von Darmbakterien auf Sättigung und Gewicht
(21.01.2016, Pharma-Zeitung.de)
Bereits in der Vergangenheit haben wissenschaftliche Studien den Einfluss von Darmbakterien auf die menschliche Gesundheit nahegelegt. Dabei war eine vieldiskutierte Frage, ob der Darm auch beim Übergewicht eine Rolle spielt. Französische Forscher haben die These aufgestellt, dass das Sättigungsgefühl durch bestimmte Bakterien im Darm regulierbar ist. Eine Erkenntnis, die neue Wege bei der Behandlung von Übergewicht und Adipositas ermöglichen könnte.
Darmbakterien wurden identifiziert
Im menschlichen Dickdarm gibt es rund 1.000 verschiedene Bakterienstämme, die bei der Verdauung behilflich sind. Allerdings war bisher eine Untersuchung der einzelnen Bakterienstämme nur eingeschränkt möglich, sodass eine explizite Identitätsermittlung der Bakterien zum Teil nicht erfolgen konnte. Laut Professor Stephan Bischoff von der Hohenheim Universität in Stuttgart ist es jetzt möglich durch neu entwickelte molekularbiologische Methoden eine detaillierte Untersuchung verschiedener Bakterienkolonien vorzunehmen. So konnte nachgewiesen werden, dass vor allem die Darmbakterien "Clostridium symbiosum " und "Bacteroides caccae" sowohl lebenswichtige Vitamine liefern als auch an der Verdauung beteiligt sind.
Verursachen Darmbakterien Übergewicht?
Doch nicht alle Darmbakterien sind gut für den Menschen. Einige machen sogar dick. Das jedenfalls hat eine Gruppe amerikanischer Wissenschaftler 2013 in der Fachzeitung "Nature" behauptet. Dabei stützen die Forscher der Washington University in St.Louis ihre These auf ein Experiment, an dem übergewichtige und normalgewichtige weibliche Probanden teilgenommen hatten. Dabei wurden dem Stuhl der Frauen Bakterien entnommen und Versuchsmäusen implantiert.
Bereits nach kurzer Zeit konnte bei den Tieren eine deutliche Gewichtsveränderung festgestellt werden. Während die Mäuse, denen die Bakterien der dünnen Frauen transferiert wurden dünn blieben, legten die anderen an Gewicht zu. Laut Aussage des Teamleiters Jeffrey Gordon beruht das Ergebnis allein auf der Eigenschaft der Darmflora. Die Nahrungszusammensetzung der Versuchstiere spiele demnach keine Rolle und sei irrelevant.
Demnach könnten Darmbakterien neben einem ungesunden Lebensstil, falscher Ernährung, Bewegungsmangel oder Stoffwechselerkrankungen ursächlich für Adipositas sein. Allerdings war es dem Forscherteam nicht möglich die für die Gewichtszunahme verantwortlichen Bakterien genauer zu bestimmen. Auch der mechanische Ablauf wurde nicht näher eruiert. Dennoch ist der Befund des Experiments geeignet, um bei der Entwicklung neuer Therapieoptionen bei Übergewicht behilflich zu sein.
Darmbakterien fördern das Sättigungsgefühl
Unter Heranziehung der amerikanischen Untersuchungsbefunde unternahm eine französische Forschergruppe um Jonathan Breton vom Institut national de la sante et de la recherche medicale (Rouen), ein interessantes Experiment. An Hand von Zell-und Tierversuchen konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass Darmbakterien nach dem Essen ein Sättigungsgefühl hervorrufen.
Zunächst wurden Zellversuche unternommen, in denen sogenannte Escherichia coli-Bakterien regelmäßig "gefüttert" wurden. Bereits nach 20 Minuten gingen die E-coli-Bakterien in den Zustand der stationären Wachstumsphase über. Das ist exakt der Zeitpunkt, indem normalerweise das Sättigungsgefühl zu Beginn der Nahrungsaufnahme einsetzt und die Zahl der Bakterien in der Regel konstant bleibt.
Dabei produzieren die Bakterien andere Proteine die das Sättigungsgefühl intensivieren und den Hunger unterdrücken. Der so erzeugte Protein-Mix wurde Laborratten in den Darm transferiert, was zu einer Veränderung der Proteine führte, die maßgeblich an der Regulation der Nahrungsaufnahme beteiligt sind. So wurde der Gehalt an Peptid YY gesteigert, das für das Sättigungsgefühl zuständig ist. Ebenso stieg der Gehalt des sogenannten GLP-1 Hormon, welches für die Freisetzung von Insulin förderlich ist. Das lässt nach Ansicht der Forscher darauf schließen, dass die veränderten Proteine direkt die Nahrungsaufnahme beeinflussen. D
as Ergebnis wird durch das Fressverhalten der Tiere bestätigt. So nahmen die Ratten mit dem "satt"-signalisierenden Proteinen weniger Nahrung auf, als die anderen Versuchstiere mit dem "hungrig"-signalisierenden Protein. Zudem konnte durch die französische Versuchsreihe nachgewiesen werden, dass die Proteine auch bestimmte Nervenzellen ansprechen, die für das Sättigungsgefühl sorgen.
Somit könnten bakterielle Proteine in die Behandlung von Übergewicht mit einbezogen werden.
Bedeutung für die Forschung
Experten sehen in den bakteriellen Proteinen durchaus einen Ansatz für neue Behandlungsmethoden von Übergewicht. Allerdings sind vorher noch einige Fragen zu klären. So ist bei dem französischen Projekt nicht ersichtlich, ob es nur in der Zellkultur oder auch im Darm zu Veränderungen gekommen ist.
Zwar könnten durch die Implantation von speziellen Darmbakterien Krankheiten wie Diabetes und Übergewicht präventiv oder therapeutisch behandelt werden. Allerdings setzt das vor, dass zuvor die Verträglichkeit von Fremdbakterien im menschlichen Darm in einer Langzeitstudie genauer untersucht wird. Außerdem ist die wichtige genetische Komponente bei den Versuchen bisher noch nicht berücksichtigt worden.
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