Pharmastandort Deutschland muss Werte schärfen

(25.04.2012, Pharma-Zeitung.de) Frankfurt am Main, 23. April 2012 – Deutschland nannte sich früher die Apotheke der Welt. Heute produzieren chinesische Fabriken so günstig, dass sich selbst indische Unternehmen aus dem Markt der Wirkstoffproduzenten zurückziehen. Auf Einladung der Frankfurt Biotech Alliance diskutierten im Rahmen eines Workshops mehr als 50 Teilnehmer engagiert darüber, was den Pharmastandort Deutschland ausmacht und auf welche Weise sich die Pharmaunternehmen dem Preisdiktat der chinesischen Konkurrenz erwehren können.

Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa), verdeutlichte in seinem Impulsvortrag den Status quo des Pharmastandortes Deutschland. Deutschland besitzt eine hervorragende Infrastruktur, sehr gut ausgebildete Fachkräfte und leistungsstarke Cluster. Für die international agierenden Pharmaunternehmen ist Deutschland nach wie vor interessant. Dies zeigt sich u.a. daran, dass von den 45 Mitgliedern des vfa 24 Unternehmen in den letzten Jahren neue Forschungslabore in Deutschland errichtet haben. Gleichzeitig ist Deutschland mit der Durchführung von jährlich 7.359 klinischer Studien die Nummer zwei nach den USA (49.472).

Auf Grund der hervorragenden Patientenrekrutierung und hohen Qualität der universitären Gesundheits- und Forschungseinrichtungen wird fast keine Studie ohne deutsche Beteiligung durchgeführt. Bei den jährlichen Zulassungen hat sich Deutschland bei ca.30 Medikamenten stabilisiert, wobei immer wieder Innovationen, wie der weltweit erste trifunktionale Antikörper Catumaxomab, TRION Pharma GmbH, von deutschen Pharmaunternehmen zur Zulassung gebracht werden. Ebenfalls Platz zwei nach den USA und vor Indien und Japan belegt Deutschland bei der Produktion von Gentech-Produkten mit seinen Standorten Frankfurt, Penzberg und Biberach.

Doch wurden auch kritische Töne angestimmt. So ist die Pharmaindustrie mit der Entwicklung in der naturwissenschaftlichen Ausbildung an Hochschulen nicht zufrieden und die für zukünftige Innovationen so wichtige Grundlagenforschung werde zu wenig gefördert. Ebenso sollte die finanzielle Sicherung von Biotech-Start-ups gestärkt werden und die vermehrten Belastungen des Pharmastandortes durch innovationsfeindliche Maßnahmen der Gesundheitspolitik, wie Zwangsrabatte und Preismoratorien nur mit Bedacht eingesetzt werden.

Dr. Christoph Hüls, Vice President Operational Excellence Research von Merck Serrono, stellte die Faktoren im Spannungsfeld zwischen Kostendruck und Patientennutzen heraus. Die Innovationshürden weltweit nehmen zu, was sich an der rückläufigen Zahl neuer Patente verdeutlicht. Ein durchschnittliches Medikament benötigt 13,5 Jahre, bis der neu entdeckte Wirkstoff den Markt erreicht. Dabei bringen nur 20% aller Medikament die Kosten wieder ein, die sie in der Forschung und Entwicklung (F&E) erzeugt haben. Die höchsten Entwicklungskosten hat AstraZeneca zu verzeichnen. Hier wurden bei F&E-Kosten von 59 Mrd. US$ nur 5 neue Medikamente zugelassen. Das es auch anders geht zeigt Novartis, die mit einem Forschungs- und Entwicklungsaufkommen von 80 Mrd. US$ auf 21 Neuzulassungen blicken.

Auf die Frage, ob man lieber früh bei einer Entwicklung einsteigen sollte oder doch besser spät aufkaufen sollte, stellte Dr. Hüls klar, das Angebot an erfolgversprechenden Phase III-Studien, in denen noch keine Verpartnerung mit einem großen Pharmaunternehmen stattgefunden hat ist sehr gering. Die gut ausgeprägten Netzwerke und Kooperationen zwischen der Forschung und der Pharmaindustrie führen auch schon im frühsten Stadium der Entwicklung zu Kontakten. Cluster wie der CI3 (Cluster für Individualisierte ImmunIntervention), an dem auch Merck beteiligt ist, sind ideale Plattformen frühzeitig in klinische Studien einzusteigen.

Dr. Werner Sievers, Standortleiter Wirkstoffe Chemie, Sanofi Aventis Deutschland GmbH, konnte am Beispiel des Wirkstoffs Metamizol verdeutlichen, wie der Deutsche Pharmastandort sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Es bestehen gute Chancen auf den stetig wachsenden Konkurrenzdruck aus Fernost erfolgreich zu reagieren und Kundenbeziehungen zu stärken bzw. verlorene Kunden zurückzugewinnen. Frankfurt ist der letzte verbliebene Großproduktionsstandort für den Novalgin-Wirkstoff Metamizol außerhalb Chinas.

In deutschen Pharmaunternehmen wird ein Wandel vollzogen, um die Produktivität wettbewerbsfähig zu gestalten. Hierbei ist vor allem die Abkehr von Großanlagen hervorzuheben. Gerade bei alten Produkten, laufen die Prozesse seit Jahrzehnten unverändert. Eine Modularisierung und Miniaturisierung, gepaart mit einem kontinuierlichen Processing (Conti-Verfahren) erhöht die Flexibilität. Die Unternehmen grenzen sich auch durch erhöhte Umweltstandards, Compliance und humane Arbeitsbedingungen vom chinesischen Markt ab. Gleichzeitig wird das Lifecycle-Managment von jedem Produkt überprüft und gegebenenfalls auf neue Märkte z.B. durch Veränderung der Formulierung angepasst und so die Wertschöpfung gesteigert.
Am Ende war man sich einig, Deutschland bietet mit seinen Qualitäten gute Voraussetzungen, dass der Pharmastandort auch in Zukunft dem weltweiten Wettbewerbsdruck wird Paroli bieten können.

Doch die deutsche Pharmaindustrie mit ihrer Hochtechnologie-Verfahrenstechniken muss schneller werden und sich stärker verknüpfen. Nur so kann man den Markt aktiv mitgestalten und ist nicht ständig gefordert auf neue Preisdiktate zu reagieren.
Die Zeiten, in denen die Produktionskosten in der Pharmaindustrie zweitrangig waren sind lange vorbei.


Über Frankfurt Biotech Alliance

Die Frankfurt Biotech Alliance ist ein Zusammenschluß von Wissenschaftlern, Unternehmen und Dienstleistern, die die biotechnologische Forschung in der Region FrankfurtRheinMain voranbringen wollen. Wir sind qualifizierter Ansprechpartner für Unternehmen, Politik und Medien und Interessenvertretung für alle, die in der Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung bis zum fertigen Produkt und seiner Vermarktung arbeiten. Hierfür bieten wir ein in der Region einzigartiges Netzwerk.
Regelmäßig bietet der Verein Veranstaltungen zum Thema Biotechnologie an, zu denen auch Nichtmitglieder herzlich willkommen sind. Die Frankfurt Biotech Alliance versteht sich als Schrittmacher für die Biotechnologieregion Rhein-Main.

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